Interview von Oliver Hochkeppel
(Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Autors. Erschienen am 16. März 2017 in der Süddeutschen Zeitung.)
Haltungen wie diese spornen das Kabarettduo Maschek an. Ihr neues Programm, das die zwei Wiener nun im Lustspielhaus vorstellen, dreht sich um Fake-News und Deutungshoheiten
Auf den wahrscheinlich zum nächsten “Wort des Jahres” gewählten Begriff “Fake News” könnten die Wiener Peter Hörmanseder und Robert Stachel eigentlich Copyright anmelden. Unter dem Namen Maschek bedienen sie sich seit bald 20 Jahren aus dem reichen Nachrichten- und Social-Media-Fundus der Selbstdarstellung von Politikern und Prominenten. Ihre Fundstücke synchronisieren sie live mit ihren Stimmen und Texten, wodurch sich absurde neue Geschichten ergeben. Ihre Weiterführung dessen, was man im angelsächsischen Raum “Mockumentary” nennt, ist dank wöchentlicher Kurzauftritte erst in Alfred Dorfers “Donnerstalk”, nun in Stermann & Grissemanns “Willkommen Österreich” in ihrer Heimat längst Kult. Nun kann man Maschek im Lustspielhaus mit dem neuen Programm “Fake! In Wahrheit falsch” mal wieder im großen Stil erleben.
SZ: Seit Sie anfingen, haben sich Medienlandschaft und Nachrichten stark verändert. Wie haben Sie das miterlebt?
Hörmanseder: Am meisten hat sich die Geschwindigkeit verändert. Früher gab es nur wenige Medien mit Nachrichten, heute ist jeder Server sein eigenes Medium. Jede Partei hat ihren Online-TV-Kanal, jeder kleine Happen kommt sofort auf Twitter. Da überschlägt sich das Tempo, und der Gehalt kommt nicht mehr mit. Der große Vorteil für uns ist, dass alle Institutionen nicht nur ihre eigenen Medien haben, sondern auch alles zur Verfügung stellen, in Top-Qualität. Du kriegst jede Art von Selbstbeweihräucherung sofort in die Finger.
Stachel: Ich komme aus der freien Medienszene, habe seinerzeit einen offenen Fernsehkanal aufgebaut. Dieses Fernsehsystem hat Youtube komplett aufgefressen, als nächstes kommen die Öffentlich-Rechtlichen dran. Das Spannende, im Zuge dieser Umwälzung der Distribution elektronischer Medien haben sich Begriffe völlig verlagert. Zum Beispiel ist “alternativ” von links nach ganz rechts gerückt. Es geht heute vor allem um die Deutungshoheit. Also: Meine Wahrheit ist richtiger als eure. Selbst ganz ohne Beweise. Das ist sehr interessant und geht weit über die Frage von “Fake News” oder “Lügenpresse” hinaus.
Damit kommt bei Ihnen automatisch neues Personal ins Spiel.
Hörmanseder: Ja, auch das hat sich beschleunigt. Unser ehemaliger Bundeskanzler Werner Faymann kam oft vor, die Leute haben manche Szenen mit ihm geliebt. Eine Woche, nachdem er zurückgetreten war, haben die nicht mehr funktioniert.
Ihre Arbeitsteilung ist aber stets gleich geblieben?
Stachel: Ja, das hat sich noch perfektioniert. Der Peter hat dieses durch sein schräges Denken vernetzte Archiv. Er kommt also mit einem Entwurf im Flüsterton – er arbeitet meist nachts und will die Nachbarn nicht stören -, der manchmal schon so perfekt ist, dass mir nichts mehr bleibt außer Textlernen. Und manchmal muss man noch dran feilen. Oft will man etwas sagen, aber es erzählt sich nicht. Da hilft es manchmal, Kalauer hineinzuschreiben. Wir haben zum Beispiel unlängst für den Auftritt bei “Ringlstetter” in der letzten Variante die Merkel noch “Hätte, hätte, Fahrradkette” sagen lassen. Einfach um das Publikum 60 plus auch noch mitzunehmen.
Sie sagten vorhin “Textlernen”. Improvisieren Sie denn nicht oft einfach nur?
Stachel: Es ist so eine Mischung . . .
Hörmanseder: . . . eher so eine Art Inhalt-lernen. Man muss den Bogen kennen.
Es geht Ihnen also nicht um den schnellen Gag, sondern um eine Geschichte. Haben Sie einen Blick für diese Bögen?
Hörmanseder: Man trainiert im Lauf der Zeit den Blick dafür. Ich sichte auch praktisch immer ohne Ton. Trump zum Beispiel, da ist mir völlig egal, was er sagt, maximal interessant ist herauszufinden, wie er redet. Fast immer sieht man dann Details, wo man merkt: Da steckt schon eine kleine Geschichte drin.
Und im neuen Programm steckt was drin?
Stachel: Der erste Teil ist eine Analyse des Ist-Zustands der Medien, auch eine Art Selbstthematisierung. Arbeitstitel war “FAQ – frequently asked questions”. Denn wir verlassen diesmal unsere bewährte Schiene ein bisschen und beantworten immer wieder gestellte Fragen auf unsere Weise mit kleinen Clips. Also “Wie kommt ihr auf die Ideen?”, “Habt Ihr da einen Text mitlaufen?” und so weiter. Wir drehen zum Beispiel die Ebene mal um, zeigen den Originalton und manipulieren das Bild. Oder der Peter erklärt, wie er Material sichtet. Das ermöglicht eine kleine Reise durch sein Gehirn. Der Abend funktioniert natürlich als Unterhaltung, aber er ist uns schon auch ein pädagogisches Anliegen. Um einfach eine bestimmte Schärfung der Sinne dafür zu erreichen, was echt und falsch sein könnte.
Hörmannseder: Es gibt Fundstücke, wo man den Ansatz perfekt sehen kann. Den Bericht eines ORF-Korrespondenten (den es eh noch gibt) aus Athen etwa, wo bei der Live-Schalte um Mitternacht sein Scheinwerfer ausfiel. Man dachte, jetzt fällt der Beitrag also aus, weil man nichts mehr sieht, aber absurderweise änderten sie die Blende der Kamera und man sah, dass es Tag war. Da fragst du dich natürlich, Moment, warum machen die da bei Tag Nacht. Genau dann beginnt bei uns die Geschichte.
Stachel: Unsere Begründung ist die, dass der Korrespondent sich so schämt, Österreicher zu sein, dass er am Montag nach Athen fliegt, alle sieben Zuspieler der Woche auf einmal dreht, dabei alle Tageszeiten simuliert und wieder heim fliegt. Dieses Jonglieren zwischen tatsächlich wahren und falschen Behauptungen und unseren satirisch-ironischen Behauptungen kommt gut rüber, glauben wir.
Das klingt fast ein bisschen nach investigativem Journalismus?
Hörmanseder: Ja, es gibt dieses Bild eines Fotografen vom Redemanuskript des serbischen Vize-Außenministers. Das war eine Rede auf Englisch, aber das Manuskript war nicht in Englisch, sondern in Lautschrift. Nach langer Suche habe ich dann diese unglaublich schlecht gesprochene Rede auf Video gefunden. Bei uns sieht man jetzt die Rede und das Skript dazu, und jeder glaubt natürlich, dass wir das gefaked haben. Das Schlimme ist, wir wissen, dass es tatsächlich stimmt.