Thomas Glavinic (KURIER, 18. April 2007)
Das ist Sparta!
Nachdem ich mich aus Gründen, die neurotisch zu nennen ein Euphemismus wäre, einige Tage nicht außer Haus getraut hatte (mein in Stein einsitzender Bruder hatte mir böse Briefe geschickt, zudem hatte ich mir in einem Anfall von psychischer Instabilität eine Glatze geschoren), besuchte ich die „maschek“-Premiere von „Beim Gusenbauer“ im Wiener Rabenhof-Theater.
Über die Vorstellung sage ich nichts, ich könnte mich nur wiederholen. Ich bin fanatischer maschek-Verehrer. Das geht so weit, dass ich mir schon überall maschek-Mitglieder herbeiphantasiere. Am Premierennachmittag sah ich Peter Hörmanseder in einem Auto an mir vorbeifahren und mich zweifelnd ansehen (Glatze). Ich schrieb ihm ein SMS, dass ich das gerade wirklich gewesen sei, und wünschte ihm alles Gute für den Abend. Nach der Premiere erzählte er mir, er sei an diesem Nachmittag nicht einmal in die Nähe eines Autos gekommen, weil Robert Stachel, der zweite der drei mascheks, außerordentlich abergläubisch ist und es nicht ertragen kann, wenn ein Teammitglied am Premierentag Auto fährt. Stachel trägt sogar am Tag jeder Vorstellung ein altes Butterbrot in der Jackentasche mit sich herum, weil das Glück bringen soll. Es ist voll Staunen festzuhalten, wie fixiert ich auf diese Leute bin. Ich sehe ihre Doppelgänger in Autos herumfahren. Das gibt mir zu denken.
maschek-Premieren ziehen neben Gelichter wie mir auch viel Prominenz an. Vor mir saß z.B. der Wiener Kulturstadtrat Mailath-Pokorny. In der Pause wurde ich Zeuge, wie ein mir unbekannter Herr den Stadtrat über den Halbzeitstand des Fußballspiels Bayern-Milan unterrichtete, nämlich 0:2. Ich erlebte, wie der Stadtrat seinem Gesprächspartner darob gestisch und mimisch große Zufriedenheit und Freude kommunizierte, was nur einen Schluss nahe legt: Der Herr Stadtrat mag die Bayern nicht.
Da mir Fußballvereine völlig egal sind (Ausnahmen: Manchester United, Ipswich, Aston Villa, Leeds, Barcelona, Schalke 04, HSV, Olympique Marseille, Roter Stern Belgrad, Sloboda Tuzla, Sturm Graz), habe ich wenig gegen diese vermeintliche oder tatsächliche Antipathie einzuwenden. Ich frage mich hingegen, ob stimmt, was Alfred Gusenbauer jüngst in einem Interview behauptet hat. Mit dem österreichischen Minderwertigkeitskomplex sei es endlich vorbei, die Österreicher fühlten sich aufgrund der Tatsache, dass Männer und Frauen aus Sachsen-Anhalt den Urlaubern in Tirol Gröstl und Spezi bringen, mit den Deutschen auf Augenhöhe, Ende der Ressentiments, Österreicher halten zu den Deutschen.
Ich glaube das ehrlich gesagt nicht. Daran sind meine Erlebnisse in Wiener Gaststätten während der WM schuld, erstens. Zweitens der Wiener Kulturstadtrat. Und drittens die Alte Schmiede. Wenn ein bekannter deutscher Schriftsteller in Wien eine Lesung hält, kommen ungefähr halb so viele Besucher wie zu einem südburgenländischen Mundartdichter.
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